Pegasus
Verein für kreatives Schreiben e.V.

Krimi: Herr es wird Zeit – frei nach Rilke
Barbara Ludwig 

Zu lange schon quälen Schatten unsere Ehe,
die täglich länger sich erstrecken.
Es fehlt ein frischer Wind,
der über Jahre eingeschlichenes
Gewöhnen von Abgestorbenem befreit.
Den Sommer gönnte ich ihr noch und wartete,
räumte eine letzte Chance ihr ein,
zu sehen und zu reifen.
Südlich anmutende Altweibertage,
sie verstrichen ungenutzt, im Meer
der ew'gen Nörgelei: zu heiß, zu kalt, zu windig.
Nichts passte, nichts war gut genug.
Sie gab nicht acht,
bemerkte nicht die Schwere des Weines,
der blutrot funkelte im Kelch.
Ein Haus – sie braucht es nun nicht mehr,
der Eichensarg ist Heimat ihr.
Sie ruht allein und ich?
Ich werde wachen, lesen.
Nein, lange Briefe werde ich nicht schreiben.
Wenn Schnee die Straßen wie ein Leintuch
eindeckt, werde ich gen Süden wandern.